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  • AutorenbildDr. Yvonne Reyhing

Kinder stärken

Immer wieder begegnet mir die Frage, wie man sein Kind stärken kann. Stärken, um sie aufs Leben vorzubereiten, um Nein zu sagen bei Dingen, die sie nicht wollen oder die nicht gut für sie sind.

Ich habe mir dazu ein paar Gedanken gemacht, die ich gerne mit euch allen teile.


Es sind mehrere Bereiche, die hierfür relevant sind. Zum einen die Selbstwahrnehmung deines Kindes und zum anderen das Selbstbewusstsein inklusive Strategien, die eigenen Bedürfnisse zu äußern und durchzusetzen. Aber ebenso geht es dabei um Werte, die deinem Kind einen Rahmen und vor allem auch Orientierung geben.


Selbstwahrnehmung

Als ersten Schritt muss dein Kind zunächst einmal bei sich selbst wahrnehmen, was es mag und was nicht. Es muss also Vorlieben und Abneigungen ausbilden und bei sich selbst erkennen. Was fühlt sich gut an, was nicht? Wen mag ich und wen weniger? Welche Verhaltensweisen anderer machen mich fröhlich und glücklich, welche wütend, traurig oder geben mir «ein komisches Gefühl im Bauch»? Dein Kind sollte also lernen, sich selbst und seine Gefühle sowie Bedürfnisse wahrzunehmen und dann auch entsprechend ausdrücken.

Diese Entwicklungsschritte kannst du unterstützen, indem du dich mit deinem Kind darüber unterhältst. Es nach seinem Empfinden fragst. Ihr könnt also gemeinsam Detektiv spielen und die Wahrnehmung deines Kindes «erforschen». Gut eignet sich dafür auch Gespräche über die Kita. Dort erlebt dein Kind täglich viele verschiedene Interaktionen mit anderen Kindern – manche davon sind sicherlich angenehm, andere eher konfliktreich und/oder unangenehm.


Selbstbewusstsein stärken

Die eigenen Bedürfnisse auszudrücken und durchzusetzen ist eine wichtige Kompetenz für dein Kind. Hierfür benötigt es Handlungsstrategien: Wie kann ich für mich und meine Bedürfnisse einstehen, anderen meine Grenzen verdeutlichen? Und das ohne deren Grenzen zu übertreten?


Um das zu Lernen ist es hilfreich, dein Kind im Alltag einzubeziehen und mitentscheiden zu lassen- schon dadurch lernen sie auf eine ganz natürliche Art und Weise für sich und ihre Interessen einzustehen.

Außerdem sind wir für unsere Kinder immer auch Vorbild. Wenn wir es schaffen, uns abzugrenzen und auch mal ‚Nein‘ gegenüber anderen Erwachsenen zu sagen, dann sehen sie das und bekommen eine Idee davon, wie man solche Situationen lösen kann.


Es gibt auch Situationen, in denen dein Kind einzig und allein seine eigenen Grenzen deutlich machen muss – unabhängig von den Grenzen des Gegenübers und unabhängig davon, wie man «normale» Konflikte löst. Situationen, in denen Grenzen massiv überschritten werden und vor denen wir Eltern immer Angst haben. Zum Glück gibt es solche Situationen nicht so häufig. Aber wenn es zu einer solchen Situation kommt, sollte dein Kind auch hierfür eine Handlungsstrategie haben. Hilfreich ist für dein Kind, wenn es seine Grenzen kennt und diese in alltäglichen Situationen verteidigen kann. Ermögliche deinem Kind auch im Alltag seine Bedürfnisse zu äußern und durchzusetzen, seine Grenzen zu ziehen und achte diese dann auch. Damit steigt die Chance, dass es dein Kind auch in gefährlichen Situationen schafft.

Zudem solltest du dies mit deinem Kind thematisieren. Allerdings empfehle ich dir, dabei sehr überlegt vorzugehen, denn dabei gibt es meinem Erachten nach einige Fallstricke. Ein Beispiel ist, dass man Kindern teilweise von den bösen fremden Männern erzählt hat, mit denen es nicht mitgehen darf – ich denke jede:r von euch hat das erlebt. Aber: Die meisten Grenzüberschreitungen geschehen nicht von «fremden Männern». Sondern leider im bekannten Umfeld und können ebenso von Frauen ausgehen wie von Männern. Man schürt damit also Ängste, die gar nicht so relevant sind, hat aber einen blinden Fleck dort, wo es viel wichtiger wäre. Zudem finde ich es für mein Kind wichtig, dass es erst mal offen auf andere «fremde» Personen zugeht und lernt,

diese selbst einzuschätzen, ohne von vornherein Angst vor Fremden zu haben. Es ist also immer eine Gratwanderung, ein Abwägen. Wie viel Vorsicht ist sinnvoll und wann schränkt es den «normalen» Kontakt zu anderen ein?



Werte geben Orientierung

Jeder von uns hat Werte, die einem besonders wichtig sind und die in der Familie gelebt werden. In vielen Familien sind die Werte ähnlich, aber vor allem die Wichtigkeit der einzelnen Werte unterscheidet sich stark. Das ist auch gut so und führt zu wundervoll individuellen Familien, die auch voneinander lernen können. Für dein Kind sind eure Familienwerte sehr wichtig. Sie geben Orientierung und helfen, Erlebnisse und Verhaltensweisen einzuordnen und zu bewerten. Das hilft auch bei der Entwicklung der Selbstwahrnehmung. Zunächst wird dein Kind eure Werte übernehmen, später dann in der Pubertät, aber auch hinterfragen und eigene Werte mit eigener Wichtigkeitseinschätzung entwickeln. Das geht aber definitiv einfacher, wenn schon Werte da sind, an denen dein Kind sich «abarbeiten» kann.

Werte werden im Alltag immer wieder von uns vermittelt, unbewusst, aber durchaus auch bewusst. Du kannst dies beispielsweise aktiv angehen, indem du deinem Kind Rückmeldung gibst, wie du gewisse Verhaltensweisen (von deinem Kind oder auch von anderen) findest. Dabei empfehle ich dir, vor allem auf Verhaltensweisen und Situationen zu achten, die du «gut» findest. Dadurch verdeutlichst du deinem Kind eure Werte anhand eines konkreten Beispiels und dein Kind hat eine Idee davon, wie soziale Beziehungen gut funktionieren können. Das geht ebenfalls gut bei Erzählungen aus der Kita: Wenn meine Tochter erzählt, dass sie von einem anderen Kind immer wieder geärgert wird, dann spreche ich mit ihr darüber und frage sie, wie sie damit umgeht, was sie macht, um sich zu wehren. Ich betone dann beispielsweise auch, dass ich es gut finde, wenn sie «Nein» sagt und ihre Grenzen verdeutlicht. Allerdings bleibe ich dabei respektvoll gegenüber dem anderen Kind. Denn einerseits ist es mir wichtig, dass sie sich durchsetzen kann und – gerade als Mädchen - dies auch klar und deutlich. Andererseits möchte ich, dass sie respektvoll mit ihren Mitmenschen umgeht.


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